Steinmeyer-Orgel
Nordempore: 4 Manuale, 98 Register, 7917 Pfeifen- Steinmeyer (1911)
Generalrestaurierung: Lenter/Link 2016-2018
"Das Mannheimer Wunderwerk" - "Ein Musterbeispiel wieder errungener Klangkultur"
Zugleich mit der Einweihung der Christuskirche konnte am 1. Oktober 1911 auch die von der Königlich Bayerischen Hof-, Orgel- und Harmoniumfabrik G. F. Steinmeyer in Oettingen als Opus 1100 erbaute Orgel eingeweiht werden. Mit 92 Register auf 4 Manualen und Pedal einschließlich eines Fernwerks und mit 7869 klingenden Pfeifen war sie damit die größte Orgel Süddeutschlands. Ihr Preis betrug 49.575,-- DM. Die Disposition entstand aus der Zusammen-arbeit von Hermann Meinhard Poppen und Emile Rupp, dem Kopf der elsässischen Orgelreformbewegung. Sie vereint die Klangcharaktere der deutschen Romantik, der französischen Romantik und der barocken Klangpracht der Orgeln von Andreas Silbermann, die entlang des Rheins in drei verschiedenen LÄndern stehen. So entstand eine "europäische" oder impressionistische Orgel. Arno Landmann, Organist der Christuskirche von 1911-1942, ein Schüler von Karl Straube und Freund Max Regers, bestätigte in seinem Abnahmegutachten, die Orgel sei "mit einer Ausdrucksfähigkeit ausgestattet, mit welcher auch die kompliziertesten Werke der Orgel-Literatur dem modernen Empfinden gemäß zur Wirkung gebracht werden können...". Sigfrid Karg-Elert bezeichnete sie 1920 als "Mannheimer Wunderwerk".
Für die Intonation war Albert Steinmeyer verantwortlich, der als einer besten Intonateure seiner Zeit galt. Die Traktur der Hauptorgel war ursprünglich pneumatisch, die des Fernwerks elektropneumatisch. Der Spieltisch war an das Gehäuse angebaut. Für den Organisten ergab sich das akustische Problem, dass er durch die Lautstärke des direkt vor ihm platzierten Hauptwerks und der vorn stehenden Pedalstimmen die Register der übrigen Manuale beim Spielen kaum hören konnte. Deshalb wurde die Traktur der Hauptorgel im Jahre 1939 auf Elektropneumatik umgestellt und der ursprüngliche Spieltisch durch einen neuen, fahrbaren ersetzt. Die durch die Herausnahme des Spieltisches entstandene Öffnung wurde durch einen Teil des umgesetzten Choralbass 4' geschlossen. Kirche und Orgel erlitten in den Bombennächten des Zweiten Weltkrieges glücklicherweise nur geringfügige Schäden. Im Jahre 1952 wurde die Orgel überholt und die Kriegsschäden beseitigt. Dabei wurden neun Register aus der Orgel herausgenommen und durch neue, dem "neobarocken" Klangideal entsprechende, ersetzt.
Bei der Restaurierung im Jahre 1984 wurde die Orgel klanglich teilweise wieder in ihren ursprünglichen Zustand versetzt und einige Register, entsprechend der Originaldisposition, wiederbeschafft. Außerdem erhielt die Orgel einen neuen Spieltisch, der mit einer elektronischen Setzeranlage mit 32 Kombinationen ausgerüstet war. 1995 führte die Firma Orgelbau Lenter eine Nachintonation durch, die wiederum dazu diente, dem Orginalklang näher zu kommen. Im Jahr 2002 wurden 2 Register originalgetreu ersetzt: Dolce 4', Klarinette 8', im Jahre 2003 wurde wieder eine Celesta im Fernwerk eingebaut (Deagan-Celesta, Chicago ca. 1930, schwellbar), die Setzer-Anlage wurde erneuert und ausgeweitet (Markus Ridinger).
Die modernen Vorschriften für elektrische Anlagen, die zunehmenden Störungen bei Ventilen und Registern, der Teilausfall der Schweller, die schlechte Stimmhaltung von Pfeifen und das drohende Auseinanderfallen des Spieltisches führten zu einer Generalsanierung, die im September 2018 abgeschlossen wurde. Ein neuer Spieltisch, eine vollständige, stilgerechte Rekonstruktion aller Pfeifen und Pfeifenlängen, die Erneuerung sämtlicher Ton- und Register-Ventile, die Abdichtung der Laden, die Nachintonation und eine erneuerte Elektrik konnten für den Betrag von rund 900.000.- € realisiert werden, der durch zahlreiche Spenden, Stiftungen (Stiftung Christuskirche, Hector-Stiftung, Vetter-Stiftung) und öffentliche Mittel (Evang. Landeskirche, Bundesregierung, Denkmalamt) aufgebracht wurde. Der klare und feine Klang der Orgel läßt seither die musikalischen Intentionen der Erbauer aufs schönste erklingen.
Somit besitzt der Christuskirche heute eine der wenigen großen Konzertorgeln vom Anfang des Jahrhunderts, die beide Weltkriege und die Deutsche Orgelbewegung nahezu unversehrt überstanden hat. Die Orgel steht unter Denkmalschutz und stellt ein klangliches Dokument ihrer Entstehungszeit von einmaligem Wert dar.
Eine umfangreiche Festschrift ist 2018 im Verlag regionalkultur Ubstadt-Weiher erschienen und zum ladenpreis vvon 16.95 € erhältlich.
Hörbeispiele:
Disposition
I. Manual
Großprinzipal 16’
Bordun 16’
Prinzipal 8’
Gemshorn 8’
Gedeckt 8’
Jubalflöte 8’ (Hochdruck)
Spitzflöte 8’
Viola di Gamba 8’
Oktav 4’
Fugara 4’
Traversflöte 4’
Superoktav 2’
Quintflöte 5 1/3’
Quinte 2 2/3’
Kornett 8’ 3-6fach
Mixtur 2’ 5fach
Cymbel 2/3’ 4fach
Tuba mirabilis 8’ (Hochdruck)
Clarine 4’ (Hochdruck)
Koppeln II/I, III/I, IV/I, Super I, Super II/I, Super III/I, Sub II/I, Sub III/I
II. Manual (Schwellwerk)
Rohrflöte 16’
Geigenprinzipal 8’
Nachthorn 8’
Konzertflöte 8’
Doppelgedeckt 8’
Salizional 8’
Dulziana 8’
Unda maris 8’
Kleinprinzipal 4’
Rohrflöte 4’
Gemshorn 4’
Flauto dolce 4’
Piccolo 2’
Sesquialtera 2 2/3’ 2fach
Larigot 2’ 2fach
Cymbel 1’ 3fach
Clarinette 8’
Tremulant
Koppeln III/II, IV/II, Super II, Super III/II, Sub III/II
III. Manual (Schwellwerk)
Stillgedeckt 16’
Hornprinzipal 8’
Soloflöte 8’
Lieblichgedeckt 8’
Quintatön 8’
Zartflöte 8’
Viola 8’
Aeoline 8’
Vox coelestis 8’
Prinzipal 4’
Kleingedeckt 4’
Fernflöte 4’
Dolce 4’
Flageolett 2’
Piccolo 1’
Gemsquinte 2 2/3’
Terz 1 3/5'
Superquinte 1 1/3’
Septime 1 1/7’
Plein Jeu 2 2/3’ 5fach
Fagott 16’
Trompete harmonique 8’
Oboe 8’
Clairon 4’
Tremulant
Glockenspiel
IV. Manual (Fernwerk, schwellbar)
Quintatön 16’
Prinzipal 8’
Hellflöte 8’
Bordun 8’
Echogamba 8’
Vox angelika 8’
Seraphonfugara 4’
Harmonieflöte 4’
Flautino 2’
Progressivharmonika 2 2/3’ 3fach
Trompete 8’
Vox Humana 8’
Tremulant, Tremulant Vox Humana ab
Violon 16’ (Pedal im FW)
Bordunbaß 16’ (Pedal im FW)
Prinzipal 8’ (Pedal im FW)
Celesta 4'
Pedal
Untersatz 32’
Prinzipalbaß 16’
Kontrabaß 16’
Subbaß 16’
Streichbaß 16’
Zartbaß 16’
Oktavbaß 8’
Violoncello 8’
Gedecktbaß 8’
Choralbaß 4’
Baßflöte 4’
Blockflöte 2’
Quintbaß 10 2/3’
Mixtur 5 1/3 5fach
Bombarde 32’
Posaune 16’
Fagott 16’
Trompete 8’
Fagott 8’
Clairon 4’
Koppeln I/P, II/P, III/P, IV/P, Super II/P
Zimbelstern (regulierbar)
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Oktavkoppeln ausgebaut,
Walze, Schwelltritte II, III, IVa, IVb
Vario-Setzer 2016
CD- und Schallplattenaufnahmen
Auf You tube:
Karg-Elert: https://www.youtube.com/watch?v=PUgV3T8-RhI&t=34s
Mozart u. a.: https://www.youtube.com/watch?v=5j4Gx2xvE-Q
Michel: Allemande-Swing: https://www.youtube.com/watch?v=qMD7MK4lcXs
Das Mannheimer Wunderwerk: https://www.youtube.com/watch?v=YbhsXkxvZXs
Michel, Swing Five: https://www.youtube.com/watch?v=6hcAad7lcfM&t=3s
Michel, Choral: https://www.youtube.com/watch?v=oNYMvtHOy_o